
Mit der Privatisierung droht auch das Aus für die Wasserkraftwerke in Graubünden.
Nach dem Nein in der Abstimmung vom 18. Juni 2000 nimmt der Zürcher Stadtrat einen zweiten Anlauf: Er will das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich EWZ ausgliedern und privatisieren. Vorerst in eine öffentlich-rechtliche Anstalt, in einem zweiten Schritt mutmasslich in eine privatrechtliche Unternehmung – wie das Beispiel der Stadt Winterthur zeigt.
Am 1. September 2015 offenbarte FDP-Stadtrat Andres Türler seine Pläne. Das EWZ brauche mehr Geheimhaltung und müsse künftig schneller unternehmerische Entscheide fällen können, der wirtschaftliche Erfolg hänge davon ab – dafür brauche es eine neue Rechtsform.
Der Gemeinderat soll nach Stadtrat Türlers Vorstellungen seine Rolle als demokratisch legitimiertes Steuerorgan schwächen und Kompetenzen an die Exekutive (den Stadtrat) abtreten. Diese würde dann auch jährlich darüber bestimmen, wie viel des Gewinns wieder in die städtische Rechnung und somit an die Bevölkerung zurückfliesst (heute zwischen 6 und 9%). Ein neu geschaffener Verwaltungsrat (VR) des EWZ würde sich vertraulich um die operativen Belange kümmern, die Entscheidungswege würden dadurch verkürzt, wie in der Medienmitteilung des Stadtrats zu lesen ist. Zudem beschliesse der Verwaltungsrat, der über die nötigen technischen, betriebswirtschaftlichen und juristischen Kenntnisse verfüge, über die Gründung von Tochtergesellschaften, weitere Auslagerungen, Beteiligungen und Kooperationen des Unternehmens. Die strategische Führung bleibe aber beim Stadt- bzw. Gemeinderat. Die Politik könne über einen Leistungsauftrag Einfluss nehmen – der Gemeinderat genehmige nach wie vor Jahresbericht- und Rechnung, der Stadtrat lege die Eigentümerstrategie fest und wähle den Verwaltungsrat.
Die Weisung geht am 26. Oktober 2016 in den Gemeinderat.
Der VPOD Zürich lehnt die Weisung ab, weil …
- … der unternehmerische Erfolg nicht von der Rechtsform, sondern von den Rahmenbedingungen im In- und Ausland abhängt: Weiterhin ist unklar, wie der zweite Liberalisierungsschritt vollzogen werden soll und wie sich das Verhältnis Schweiz – EU weiterentwickelt. Es gibt keine wissenschaftlich erhärteten Belege dafür, dass privatisierte oder ausgegliederte Energieunternehmen unternehmerisch erfolgreicher agieren als kommunale Werke. Im Gegenteil.
- … EWZ fit für die Energiezukunft ist: Die vom Bundesamt für Energie in Auftrag gegebene Studie „Benchmarking von Stromlieferanten in den Bereichen Energieeffizienz und erneuerbare Energien (Vgl. Studie Bundesamt für Energie; November 2015) sieht das EWZ auf Platz 2 von 62 schweizerischen Energieunternehmen. EWZ als innovatives Unternehmen der Stadt Zürich ist bereits heute für die Energiezukunft bestens gerüstet, weil die öffentliche Hand in den letzten Jahren grosse Investitionen getätigt hat.
- … EWZ bereits Instrumente zu mehr Geheimhaltung und kürzeren Entscheidungswegen hat: Im April 2014 hat der Gemeinderat einer Kompetenzerweiterung des EWZ für den Energiehandel zugestimmt, obschon die Vorlage aus staatspolitischer Sicht heikel war, weil die finanziellen Kompetenzen des EWZ sehr weitreichend sind. Solche punktuellen Kompetenzen können auch in anderen Bereichen geschaffen werden.
- … die geplante Ausgliederung/Auslagerung des EWZ nur ein Zwischenschritt zur vollständigen Privatisierung ist: In Winterthur will der Stadtrat das ehemalige Gemeindewerk in einem zweiten Schritt vollständig privatisieren, weil sich die ‚öffentlich-rechtliche Anstalt‘ als ungeeignete Rechtsform erwiesen hat. Das Gemeindegesetz (GG) als gesetzliche Grundlage für öffentlich-rechtliche Anstalten ist ungenügend, die kantonale Verwaltung verfügt über einen immensen Ermessensspielraum.
- … FDP-Stadtrat Andres Türler kürzlich bei der Gründung der Limmat Energie AG sein Präferenz für eine neue Rechtsform offenbart hat: Im August 2015 hat der Stadtrat einen Kredit zur Gründung der Limmat Energie AG gesprochen – einer Gesellschaft, an der das EWZ und Energie 360° beteiligt sind – alles Unternehmen in öffentlicher Hand, die sich in vielen Bereichen konkurrenzieren.
- … sich die Lohnschere in den Unternehmen unverhältnismässig öffnet: Jede Ausgliederung und Privatisierung führt zu weniger demokratischer Steuerung und zur Umverteilung der Ressourcen von unten nach oben. Die höheren Kader der Unternehmen sowie meistens auch Verwaltungsrätinnen- und räte verdienen unverhältnismässig mehr als das Gros der Mitarbeitenden, aber auch als Stadt- und Regierungsrätinnen- und räte.
- … Gewinne privatisiert und Verluste sozialisiert werden: Die öffentliche Hand haftet für eine unzulängliche Geschäftspolitik der Unternehmen, während die Gewinne zum grossen Teil in den Taschen der Aktionäre, der Verwaltungsräte, der Beratungsfirmen, der höheren Kadermitglieder sowie weiterer Profiteure landen. Seit 2004 hat das EWZ jährlich im Durchschnitt 66.6 Mio. Fr. Gewinn gemacht und an die Zürcher Bevölkerung zurückgegeben.
- … die stadtzürcher Bevölkerung am 18. Juni 2000 eine Ausgliederung und Privatisierung des EWZ verworfen hat: Nach dem Nein an der Urne hat der damalige Stadtrat Thomas Wagner in Aussicht gestellt, das EWZ sehe schwierigen Zeiten entgegen. Das Gegenteil ist eingetroffen – seither hat das EWZ der Stadtkasse insgesamt über 730 Mio. Fr. an Gewinnen zurückgegeben und gleichzeitig grosse Investitionen für die Zukunft getätigt.
- … eine sichere, nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung zum Service public gehört: Auch alle Menschen in der Stadt Zürich haben Anspruch auf eine sichere, nachhaltige und bezahlbare Grundversorgung mit Energie, Wasser, öffentlichem Verkehr, Telekommunikation, Post-, Abwasser- und Entsorgungsdiensten, welche nur die öffentliche Hand garantieren und am effizientesten betreiben kann. Die Grundversorgung der Bevölkerung ist ein Menschenrecht.
- … die Bevölkerung eine sichere, nachhaltige und bezahlbare Energieversorgung braucht – unter Steuerung und Kontrolle des Parlaments: Denn Energiepolitik soll öffentlich diskutiert und nicht in den Hinterzimmern beschlossen werden.
Gewinnablieferung EWZ an Stadt Zürich (Quelle Geschäftsberichte 2004 – 2014) in Franken.Total: 732.4 Mio. / Durchschnitt 66.6 Mio. pro Jahr
2014: 65.3 Mio.
2013: 66.3 Mio.
2012: 67.2 Mio.
2011: 66.2 Mio.
2010: 72 Mio.
2009: 81.6 Mio.
2008: 71 Mio.
2007: 62.1 Mio.
2006: 62.7 Mio.
2005: 59.2 Mio.
2004: 58.8 Mio.